Unser Bild von Männlichkeit, mit der die Menschheit nun schon tausende Jahre Erfahrung gemacht hat, basiert zum größten Teil auf „Unter-Druck-ung“. Es wird von Oben auf das Untere Druck ausgeübt (wenn wir Oben mit dem Männlich-Geistigen assoziieren und Unten mit dem Weiblich-Materiellen).
Natürliche Wachstumsprozesse aber laufen immer von unten nach oben, eine Pflanze wächst aus der Erde zum Himmel. Bewegungen von unten nach oben wurden also unterbunden und es wurde „von Oben“ nur zugelassen, was den jeweiligen Machtinteressen nützte. Was nicht passend war, wurde niedergehalten. Heute beobachten wir in vielen Bereichen unseres Lebens solche männlich, hierarchischen Strukturen, wo das Obere über das Untere bestimmt. Viele Menschen spüren mittlerweile, dass diese Art und Weise zu leben nicht funktionieren kann und am Kollabieren ist, da sie wesentliche Wahrheiten des Lebens ignoriert. Was bedeutet das aber auf der individuellen Ebene?
Ich bitte Dich, folgendes Bewegungsexperiment mit mir durch zu führen und darauf zu achten, wie sich die Qualität der Bewegung anfühlt. Wiederhole die Bewegungen mehrmals. Zuerst zeigt die Handfläche in Brusthöhe nach unten und die Bewegung geht von oben nach unten. Danach zeigt die Handfläche nach oben und die Bewegung geht von unten nach oben.
Stell Dir dabei vor, dass Du Dich selbst einmal unter der Handfläche und einmal auf der Handfläche befindest. Wie fühlt es sich an? Mit welcher Bewegung bist Du als Kind größtenteils aufgewachsen? Bestimmt wirst Du bemerkt haben, welche Bewegung eine schöpferische Qualität hat und welche Bewegung nur sich selbst erhöht.
Wenn Du eine neue Männlichkeit leben willst, dann ist es dieser schöpferische Aspekt, dem Du Aufmerksamkeit schenken solltest. Anstatt mit Druck etwas erreichen zu wollen, gibst Du Raum für das, was schon da ist und wachsen will. Dinge, die mit Druck erreicht werden, sind im Grunde nicht reif, nicht nachhaltig. Es ist wie bei einer überzüchteten Pflanze, von der man erwartet, dass sie in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Ertrag bringt. Der Augenschein mag stimmen, aber das Ergebnis schmeckt nicht mehr. Das ist eine unserer täglichen Erfahrung im Supermarkt.
Es ist also die Qualität des Raum-Gebens (der Himmel ist weiter als der Horizont), die wir als Männer wieder neu lernen können: Raum für das Weibliche in uns und um uns; Raum für das, was einfach da ist, Schmerz und Freude, Wichtiges und Unwichtiges… Dann kommt das Männliche an seinen Platz zurück, indem es dem Weiblichen dient, es hält. Deine Partnerin wird strahlen, wenn Du sie so behandelst und Du wirst strahlen, wenn Du dich so behandelst.
Dann wirst Du vielleicht einem Impuls nachgehen, der Dir unvernünftig und unrentabel erscheint oder Du nimmst Dir mehr Zeit für Deine Partnerin und Familie oder du ziehst dich zurück, weil du mit deinen Gefühlen beschäftigt bist. Und Du wirst bemerken, dass es viel interessanter so ist, als Deiner Pflicht nachzugehen und von A direkt nach B zu kommen.
Wenn Du die Qualität des Raum-Gebens übst, wirst Du feststellen, dass Deine bisherigen Vorstellungen sich stark bemerkbar machen, wie etwas zu sein hat. Lass Dich davon nicht abschrecken weiter zu gehen. Hol Dir die Qualität des Schöpferischen zurück ins Bewusstsein, indem Du die Handbewegung machst.
veröffentlicht in „einfach JA“ Zeitschrift Dez/Jan 2013/14 – Mann Sein